Ich beschreibe Mitraspera gerne als großen Raum, in dem es viele Teppiche gibt. Jeder Teppich ist eine Geschichte, ein Kunstwerk, ein Charakter – all das Material, aus dem diese Welt besteht. Teppiche berühren einander, überschneiden sich manchmal auch. Es gibt ganze Wege und Plätze von Teppichen, über die man wandeln kann, und auch vereinzelte Lichtungen, irgendwo allein im Raum. Es gibt aber auch ganz viele leere Stellen mit nacktem Boden, die noch darauf warten, gefüllt zu werden. Manche Teppiche finde ich schöner als andere. Aber alle sind wertvoll. Manche waren einst wertvoll, weil man über sie hinweg gehen konnte, um woanders neu anzufangen, auch wenn sie jetzt verschlissen und wenig beachtet sind. Diejenigen, die diese Teppiche geknüpft haben, sind mit ihnen verbunden: Sie alle haben ein Stückchen ihres Herzens hinein gewebt, egal ob sie nur ein kleines Eckstück oder einen ganzen Teppich gewebt haben. Der eine oder andere hat als “Autor” ganze Räume mit Teppichen gefüllt.
Ich habe 2006 mein erstes Stückchen Teppich gewebt. 2018 war das bisher letzte. Dazwischen ist unglaublich viel von mir, meiner Liebe, Zeit, Tränen und Freude nach Mitraspera geflossen. Und auch wenn ich meiner Liebe nicht mehr die Aufmerksamkeit schenken konnte, die sie verdient hat, so liebe ich es auch weiterhin – denn es ist ein Teil von mir.
Ich liebe Mitraspera auch dafür, dass viele Weber einen Raum mit Teppichen füllen können. Gemeinsam, zusammen. Und dass jeder auf den Teppichen der anderen laufen und verweilen darf, wenn er gut darauf Acht gibt und sich an Regeln hält.
Ich wurde unruhig, als ich merkte, dass mein Mitraspera sich urplötzlich veränderte und ich dem scheinbar machtlos ausgeliefert war. Mehr als je zuvor, denn im Wandel war Mythodea schon immer.
Plötzlich wurden Teppiche weggeräumt, Wege versperrt, andere Weber verscheucht. Die Regeln zur Raumnutzung wurden abrupt geändert, oder man kündigte an, dass dies zeitnah passieren würde. Gespräche von vielen Leuten über einen recht langen Zeitraum schienen nichts oder wenig zu bringen. Das gefiel mir nicht. Ich hatte Sorge, fast schon Angst, um mein geliebtes Mitraspera, und begann es zu verteidigen. Nicht mit eloquenten Gesprächen, wie das andere versuchten. Eher so mit wildem Gefuchtel eines Schwertes und lautem Gebrüll, ohne genau zu wissen, was ich da eigentlich tue und was das bringen soll.
Ich webe gleichzeitig an vielen anderen Stellen in meinem Leben, und ich kann nicht überall zugleich sein. Mir fehlte die Idee, was ich tun könnte, außer in blinder Panik meine Teppiche zu nehmen und jedem zu verbieten, sie zu benutzen. Ich hätte sie gar nicht tragen können, nicht alle. Aber vielleicht die großen, auf die ich stolz bin. Das hätte aber ihren Sinn zunichte gemacht, denn in einem anderen Raum würden sie nicht wirken. Ohne die anderen Teppiche wären sie wertlos. Den Raum könnte man allerdings ersetzen.
Ich redete mit ein paar wenigen alten Weggefährten darüber, was sie machen wollten und wie sie sich fühlten. Wir stellten schnell fest, dass wir uns alle in einer ähnliche Lage befanden – doch eine Lösung fand sich irgendwie nicht. Dann rief mich vor ein paar Tagen ein alter Gefährte an, bat um etwas von meiner Zeit. Er erzählte mir, dass es vielen Webern so erging, wie es mir gerade geht. Dass sie Mitraspera als gemeinsames Projekt bewahren wollen. Und das wir alleine nichts mit unseren Teppichen anfangen können, selbst wenn jeder die seinen nehmen würde. Aber eine gute Lösung könnte ein Schulterschluss sein. Gemeinsam, wie früher, können wir unsere Teppiche für alle zugänglich machen, sie herzeigen, wie ein Kunstwerk, in das viel Liebe geflossen ist. Und wir können jedem erlauben, ohne Eintritt in die Kunsthalle zu gehen, neue Teppiche zu weben und sie mit anderen zu verbinden.
Und so unterstütze ich diesen Verein, denn er ermöglicht es, wenn alle mitmachen, dass das Kunstwerk Mitraspera weiter leben und wachsen darf, dass jeder eintreten und sich verewigen darf. Notfalls als Wanderausstellung und viel kleiner als bisher.